Wenn der Wirtschaftsprüfer das Testat versagt – Beginn der Abwärtsspirale

Aufgabe und Rolle des Wirtschaftsprüfers

Wirtschaftsprüfer sind öffentlich bestellt und haben die berufliche Aufgabe, betriebswirtschaftliche Prüfungen, insbesondere solche von Jahresabschlüssen wirtschaftlicher Unternehmen, durchzuführen und Bestätigungsvermerke über die Vornahme und das Ergebnis solcher Prüfungen zu erteilen. So ist es in § 2 Abs. 1 des Gesetzes über eine Berufsordnung der Wirtschaftsprüfer geregelt. Dem gegenüber steht die gesetzliche Pflicht für Unternehmen, die Geschäftszahlen von einem Wirtschaftsprüfer testieren zu lassen – das sogenannte Testat der Wirtschaftsprüfer.

Seit der Causa Wirecard sahen sich Wirtschaftsprüfer vermehrter Kritik ausgesetzt, weil damals kritisiert wurde, dass etwa Nachweise für Treuhandgelder in Asien nicht eingefordert und ausreichend verifiziert wurden. Wirtschaftsprüfer hingegen erwiderten, dass sie im Gegensatz zu Steuerfahndern oder Staatsanwälten auf die Mitwirkung der geprüften Firma angewiesen seien und falsche oder lückenhafte Informationen nur schwer zu überprüfen seien. Jüngstes Beispiel für die Brisanz einer Testatsversagung ist der angeschlagene Immobilien-Investor Adler, der die geprüfte Bilanz als Voraussetzung für die milliardenschweren Kredite, die Adler aufgenommen hat, dringend benötigt.

Wirtschaftsprüfer verfügen über einen umfangreichen Erfahrungsschatz. Meist werden standardisierte und erprobte Informationsanfragelisten verwendet. Insbesondere Berichte von externen Beratern oder Rechtsanwälten werden verwendet, um die Informationsbasis so solide wie möglich zu gestalten.

Verspätetes oder verweigertes Testat: Beginn der Abwärtsspirale

Viele Stakeholder fordern einen aktuellen Jahresabschluss an. Für Banken oder Versicherungen sind testierte Jahresabschlüsse eine wesentliche Voraussetzung für die Kreditvergabe oder den Vertragsabschluss. Wird einem Unternehmen das Testat für den Jahresabschluss gar verweigert, entsteht rasch Handlungsbedarf oder eine Abwärtsspirale beginnt. Denn ein solches Ergebnis der Jahresabschlussprüfung besagt, dass keine positive Gesamtaussage des Wirtschaftsprüfers über den zu prüfenden Jahresabschluss und den Lagebericht möglich war, weil der Wirtschaftsprüfer erhebliche Mängel und Beanstandungen zur Gesetz- und Ordnungsmäßigkeit des Jahresabschlusses und der Buchführung festgestellt hat.

„Ein verweigertes Testat“ bedeutet nicht sofort „unwirtschaftlich

Es ist möglich, dass ein wirtschaftlich solide aufgestelltes und zukunftsfähiges Unternehmen aufgrund von Mängeln im Jahresabschluss oder in der Buchführung einen eingeschränkten Bestätigungsvermerk oder im schlimmsten Falle sogar einen Versagungsvermerk erhält, während andererseits ein auf wackeligen Beinen stehendes Unternehmen einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk erhält. Entgegen landläufiger Annahmen ist die Versagung des Testats zwar nicht gleichbedeutend mit der Aussage, dass ein Unternehmen unwirtschaftlich oder nicht überlebensfähig ist, jedoch nimmt das Ansehen bei Kreditgebern und Aufsichtsbehörden aufgrund des Vertrauensverlusts Schaden. Insbesondere für Unternehmen, die unter Aufsicht der BaFin stehen, ist der testierte Jahresabschluss eine Grundvoraussetzung für die Fortführung des Geschäftsbetriebs.

Grund für diese bessere Bewertung des wirtschaftlich schwachen Unternehmens ist, dass sich der Vorstand oder die Geschäftsführung an die Spielregeln gehalten haben und an die Wirtschaftsprüfer vollumfänglich und aus freien Stücken auch „schwierige“ Themen berichtet haben.

Gründe für Versagung des Testats

Ein Testat wird nicht leichtfertig verweigert. Die Versagung ist eine von vier „Noten“ des Prüfungsurteils, welche ein Wirtschaftsprüfer als Ergebnis wählen kann. Diese sind:

• uneingeschränkter Bestätigungsvermerk,

• eingeschränkter Bestätigungsvermerk,

• Versagungsvermerk aufgrund von Einwendungen,

• Versagungsvermerk aufgrund von Prüfungshemmnissen,

Werden unangenehme Themen jedoch verschwiegen, weckt das unweigerlich die Skepsis der Wirtschaftsprüfer. Unangenehme Themen können beispielsweise Sachverhalte und Tatkomplexe sein, die eine strafrechtliche Relevanz haben und etwa (leitende) Mitarbeiter in einem schlechteren Licht dastehen lassen als es die Geschäftsleitung zugeben will oder kann. Denkbar ist etwa, dass Korruptionsvorwürfe im Unternehmen kursieren und eine echte Aufklärung nicht stattgefunden hat.

Vollständigkeitserklärung und Haftung der Wirtschaftsprüfer

In Bezug auf die Haftung von Wirtschaftsprüfern, die im Rahmen einer Pflichtprüfung etwa unrichtige Bilanzen testieren, wird deren Verantwortlichkeit durch § 323 Abs. 1 HGB auf die Haftung gegenüber der zu prüfenden Kapitalgesellschaft und einem mit dieser verbundenen Konzernunternehmen beschränkt. Erfolgt die Prüfung nicht (auch) im Interesse konkreter Einzelinvestoren, kommt für die Aktionäre nur eine Deliktshaftung in Betracht. Verletzt der Abschlussprüfer vorsätzlich oder fahrlässig eines der in § 823 Abs. 1 BGB genannten Rechtsgüter, ist er grundsätzlich zum Ersatz des hierdurch kausal verursachten Schadens verpflichtet.

Regelmäßig verlangen die Wirtschaftsprüfer von dem zu prüfenden Unternehmen zu Ende der Prüfung eine Vollständigkeitserklärung. Die Vollständigkeitserklärung ist kein Ersatz für Prüfungshandlungen, sondern als Ergänzung selbiger zu sehen. Sie stellt eine Versicherung des geprüften Unternehmens dar, dass der Jahresabschluss sämtliche Vermögensgegenstände, Rückstellungen und Verbindlichkeiten enthält und dass die dem Abschlussprüfer erteilten Auskünfte und übergebenen Nachweise vollständig sind. Werden die Vollständigkeit vorsätzlich, das heißt wider besseres Wissen, bestätigt, hat eine solche Bestätigung unweigerlich strafrechtliche Konsequenzen für die Verantwortlichen und die Gerichte haben zu prüfen, ob und inwieweit sich der Wirtschaftsprüfer auf die Vollständigkeitsprüfung verlassen durfte.

Transparenz und Kooperation sind das A&O

Negative Beispiele wie Wirecard und Adler sollten Entscheider ebenso wie Wirtschaftsprüfer sehr ernst nehmen. Müssen sich die Wirtschaftsprüfer die Informationen zu fragwürdigen Sachverhalten mühsam selbst beschaffen, eigenständig ermitteln, werden sie schnell skeptisch und fragen nach dem „cui bono“ – wer hat einen Vorteil von Vertuschung und Mauern.

Sind die Bedenken der Wirtschaftsprüfer schwerwiegend und bleiben dann noch Anfragen unbeantwortet oder werden Unterlagen nicht vorgelegt, kommt es unweigerlich zum Versagungsvermerk. Findet sich auf Anhieb keine andere Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die das ersehnte Testat erteilt, kommt es zur gerichtlichen Bestellung. Doch dadurch gewinnen die Verantwortlichen allenfalls Zeit. Denn ein Gefälligkeitstestat wird insbesondere ein gerichtlich bestellter Wirtschaftsprüfer nicht erteilen. In der Regel wird die Versagung des Testats zu strafrechtlichen Konsequenzen für die Verantwortlichen führen und kann – sollten die Eigner nicht neues Kapital nachschießen – bis zur Insolvenz führen. Wird der Jahresabschluss nicht fristgemäß geprüft, können Banken ihre Kredite fällig stellen und eine weitere unumkehrbare Eskalation in der Abwärtsspirale nimmt angesichts von drastisch gesunkenen Chancen auf eine Umschuldung ihren Lauf.

Benjamin Hasan ist Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht und Partner im Frankfurter Büro der international aufgestellten Kanzlei Michael Kyprianou. In seiner mehr als zehnjährigen Erfahrung als Rechtsanwalt blickt er zurück auf die Erfahrungen als Chief Compliance Officer und Aufsichtsratsmitglied unterschiedlicher Banken.

Der Inhalt dieses Artikels ist zum Zeitpunkt der ersten Veröffentlichung gültig. Er soll als allgemeiner Leitfaden für das Thema gelten und stellt keine Rechtsberatung dar. Wir empfehlen Ihnen, sich in einer bestimmten Angelegenheit professionell beraten zu lassen, bevor Sie auf die bereitgestellten Informationen eingehen. Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an Rechtsanwalt Benjamin Hasan, Partner des Büros in Frankfurt am Main, telefonisch unter: +49 69 247 428 444 oder via E-Mail: benjamin.hasan@kyprianou.com